Geschlossenes Berufsschulen und Ausbildungszentren sowie Home-Office für Azubis haben dazu geführt, dass digitales Lernen in der Berufsausbildung eine neue Bedeutung bekommen hat. Vor- und Nachteile von digitalem Lernen und Lehren werden nun deutlich. Mit einem kritischen Blick schaue ich auf das Digitale Lernen und zeige auf, wie es funktionieren kann.
Seit Jahren bieten wir Unternehmen digitale Produkte, Lernformate und Blended-Learning Angebote an und haben daher bereits viel Erfahrung mit dieser Darstellung gemacht. Auch integrieren wir zunehmend digitale Formate direkt in Präsenzworkshops.
Digitales Lernen und auch Lehren ist eine Lernform, die mit Unterstützung von digitalen Medien erfolgt. Zusätzlich sind diese digitalen Medien und Lernplattformen meist über das Internet nutzbar.
Ist nun digitales Lernen soviel besser als Präsenzveranstaltungen? Ein klares JEIN.
Es ist meiner Meinung nach abhängig von dem Lernziel, dass erreicht werden soll und welche Methoden dafür besser oder schlechter geeignet sind.
Durch digitale Lernformate wie Online-Trainings, Quizze, Lernplattformen mit Videos und Inhalten on-demand (auf Abruf) können Teilnehmer lernen, ohne Reisen zu müssen live oder für sie persönlich integriert in den Tagesablauf lernen. Das spart zudem Kosten für Seminarräume, Unterbringung und Anreise.
Auch bietet es den Vorteil Inhalte – je nach Aufbereitung – immer wieder zu betrachten und dem eigenen Lerntempo zu folgen.
Insbesondere in der Corona-Krise haben sich dieses digitalen Lernformate bewährt, da der Faktor „Schutz vor Ansteckung“ noch hinzukommt.
Interessant finde ich auch, dass diese digitalen Lernformate auch ganz neue Ansätze zur Erfüllung von Lernzielen erfüllen. Beispielsweise können Inhalte direkt im Tagesgeschäft ausprobiert werden, was in einem Seminarkontext manchmal nur bedingt funktionieren kann.
Je nach Thema und Gruppengröße gibt es häufiger den Fall, dass es sich nicht lohnt einen Tagesworkshop zu organisieren. Eine virtuelle Variante ist dann vorteilhaft. Diese findet statt, wo sonst kein Seminar stattfinden würde.
Dennoch: Besonders in der aktuellen Zeit erleben wir, dass uns bei dieser Lern- und Kommunikationsform via Videokonferenz und Plattform reale Begegnungen fehlen. Es macht eine Unterschied, ob ich mich mit Personen in einem Raum befinde, ich Personen per Videochat vor mir sehe, ich in Avatare mit Audiogeräuschen schaue oder ggf. eine Plattform mit Videos und einem Forum vor mir sehe. Insbesondere ist dies herausfordernd, wenn weniger Erfahrung mit der Anwendung von diesen speziellen digitalen Medien besteht – was bei den meisten der Fall ist. Außerdem muss der Lerner eine hohe Relevanz im Thema sehen, um sich in technische Herausforderungen als auch den Inhalten selbstgesteuert zu widmen.
Fälschlicherweise werden aktuell viele Präsenzveranstaltungen 1:1 in virtuelle Videokonferenzen umgemodelt. Dauer, Inhalte und Methoden bleiben gleich – mit dem Unterschied der Ausbilder, Lehrer bzw. Trainer filmt sich in seinem Home-Office. Für eine spontane, schnelle Umsetzung ist dies sicherlich eine Variante, aber es ist für den Lehrenden und Lernenden zermürbend und deutlich anstrengender als ein Präsenzseminar.
Digital zu lernen, zu lehren und zu kollaborieren ist für unser Gehirn auf Dauer stressig. Zum einen ist uns bewusst, am anderen Ende sitzen reale Personen bzw. unser Online-Verhalten ist nachvollziehbar, auf der anderen Seite fühlen wir uns unbeobachtet. Diese Erfahrung haben bereit einige in Videokonferenzen per Zoom, Teams oder Skype in den letzten Wochen gemacht, bei dem Teilnehmer unbedacht die Zuschauer überall mit hinnehmen.
Virtuelles Lernen und Lehren will somit gelernt sein. Es kommt auf die richtige Auswahl von Lernmethoden und Interaktionsmöglichkeiten an. Diese müssen viel stärker auf verschiedene Lerntypen angepasst werden. Im Präsenzseminar habe ich immer die Möglichkeit körpersprachliche Momente zu deuten, in digitalen Formaten ist dies schwieriger und die Beteiligung bzw. das Feedbackgeben ist geringer ausgeprägt. Es ist „leichter unter dem Radar“ zu schwimmen. Auch um anderen Leuten nicht ins Wort zu fallen. Personen, die stark durch Handeln und Ausprobieren lernen, verlieren schnell die Begeisterung beim Lernen mit Videos und Texten.
Ein weiterer Faktor ist die hohe Selbstverantwortung, die gelernt werden muss und bei Auszubildenden, Ausbildern und Ausbildungsbeauftragten nicht vorausgesetzt werden darf. Es kommt auf mich persönlich an, Inhalte im Arbeitskontext auszuprobieren, mir Themen tiefer anzueignen, mich nicht von der Umgebung und dem Unbeoachtetsein ablenken zu lassen und selbstgesteuert mir Informationen zu suchen. Selbstdisziplin muss somit trainiert werden.
Viele Plattformen positionieren sich in ihrer Stärke der Vermittlung. Es macht den Anschein, dass es wichtiger ist, Wissen zu vermitteln anstatt Motorik, Abläufe und Verhalten zu trainieren. Diese Position halte ich für gefährlich. Denn die meisten Wissensinhalte müssen ständig überarbeitet werden, da sie sich verändern.
Als digitale Lernform haben sich daher auch in den letzten Jahren Blended-Learning-Formate durchgesetzt, die digitales Lernen mit Präsenzlernen kombinieren. Beispielsweise wird vor dem Präsenzworkshop eine digitale Reflexionseinheit, Abfrage oder ein Video vorgeschaltet, zur Nachbereitung werden Learning-Nuggets oder ein digitaler Austausch zu Lernerfolgen durchgeführt.
Mikro-Learning mit vielen kleinen „Wissensauffrischungen“, die per App abrufbar sind und in den Arbeitsalltag integriert werden, sind aktuell eine gute Weiterentwicklung in diesen Punkten.
Gut durchdacht und gut genutzt sind E-Learning-Programme in welcher Form auch immer eine Weiterentwicklung, da sie über einen längeren Zeitraum Wissen und Verhalten direkt in die täglichen Aktivitäten und Anwendungsfälle integrieren.
Schau dir zum Thema auch das folgende Video mit weiteren Infos an.
Für alle Podcast-Liebhaber ist das Audio auch unter den gängigen Podcasts unter “Ausbilder 4.0” zu finden oder direkt hier:
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