Sind übliche Bewerbungsprozesse für das Azubi-Recruiting überhaupt noch aktuell?
Der kaufmännische Ausbilder Jonas Rodenberg berichtet im Podcast-Interview mit Claudia Schmitz, wie sie die Azubiauswahl bei den Dortmunder Stadtwerken (DSW21) umstrukturiert haben.
Im Schnitt gehen pro Jahr etwa 1200 Bewerbungen bei den Dortmunder Stadtwerken ein, wovon knapp die Hälfte auf Industriekaufleute fällt. Aus diesen Bewerbungen wird eine Auswahl getroffen, mit der in jedem Jahr 35 Ausbildungs- und ein bis zwei duale Studienplätze besetzt werden. Der Fülle an Bewerbungen und der damit verbundenen Menge an Daten gerecht zu werden, stellt die Dortmunder Stadtwerke vor eine Herausforderung.
Wie hat sich die Bewerbung bei der DSW21 verändert?
Bei den Dortmunder Stadtwerken wurde der veraltete, wenn auch niveauvolle Bewerbungsprozess noch einmal genauer unter die Lupe genommen. Sie haben das Verfahren hinterfragt und es seit 2020 schließlich anhand dreier Faktoren verändert.
1. Prozesseffizienz: Können wir ca. 1200 umfangreichen Bewerbungen mit wenigen Mitarbeitern überhaupt gerecht werden? Können die Daten in ihrer Tiefe gesichtet und beurteilt werden?
2. Demografischer Wandel: Passen die Bewerber*innen und ihre Kompetenzen auf die von uns vordefinierten Jobanforderungen?
3. Candidate Experience: Wie empfinden unsere Bewerber*innen und Azubis den Auswahlprozess? Ist er nachvollziehbar?
Ziel ist, die Bewerbung barrierefrei zu gestalten, das heißt: der Bewerber/ die Bewerberin soll zu jeder Zeit von jedem Gerät aus die Bewerbung ausfüllen können. Die DSW21 nutzt hierfür ein Bewerberportal. Während zuvor etwa 34 Felder ausgefüllt werden mussten, sind es seit 2020 nur noch 12 Felder. Fragen, wie “Wann hast du welche Schule besucht?” fallen raus. Es werden nur noch essentielle Daten, wie etwa die Stammdaten, erhoben.
“Daten, die über die eigentlich nützlichen Daten hinausgehen, erheben wir gar nicht mehr”, erklärt Jonas Rodenberg und zeigt auf, dass die Fülle der Daten nicht unbedingt Aufschluss über Berufserfolg oder Motivation gibt. Darüber hinaus haben sich die Dortmunder Stadtwerke dazu entschieden das Anschreiben entfallen zu lassen, sodass der Bewerber/ die Bewerberin im Prozess so wenige Hürden wie möglich hat. Betriebe, die im Jahr ohnehin nur wenige Bewerbungen bekommen, sollten sich an dieser Stelle überlegen, ob sie sich ein Hindernis wie das Anschreiben in ihrem Bewerbungsprozess überhaupt leisten können.
Mit dem Einreichen der Bewerbung werden außerdem ein Lebenslauf und das letzte Zeugnis des Bewerbers/ der Bewerberin erwartet. Wenngleich Noten, laut Jonas Rodenberg, eigentlich nur Aufschluss über Fleiß geben und nicht unbedingt über den Berufserfolg. “Wir wollen am Ende zwar schon gute Abschlüsse, aber in erster Linie wollen wir gute Mitarbeiter.”, sagt er dazu.
Wie geht das Bewerbungsverfahren bei der DSW21 weiter?
Nach Eingang der Bewerbungen werden diese zeitnah gesichtet und nach Vollständigkeit überprüft. Ein Großteil der Bewerber*innen bekommt anschließend eine Einladung zu einem Online-Eignungstest, der zum einen die kognitive Leistungsfähigkeit überprüft und zum anderen Fragen zur berufsbezogenen Persönlichkeit beinhaltet. Dieser Test kann von zu Hause aus durchgeführt werden.
Es folgt ein Auswahltag. Im Normalfall (außerhalb der Pandemie-Situation) werden dann sechs Personen eingeladen, die Zeit haben sich vorzustellen, Fragen zu stellen und sich in einer Gruppenarbeit zu beweisen.
Durch einen abschließenden Beurteilungsbogen werden Punkte vergeben, wodurch es letztendlich zu einer mathematischen Urteilsfindung kommt.
Die Gestaltung der Azubiauswahl ist keine leichte Angelegenheit. Mit ihrem Auswahlprozess haben Ausbildungsbetriebe eine enorme Verantwortung. Die Auswertung innerhalb des Prozesses kann ausschlaggebende Auswirkungen auf die Bewerber*innen und deren Zukunft haben.
Aber wie geht man die Überarbeitung von Auswahlverfahren am besten an?
Tipps von Jonas Rodenberg:
1. Präzise Anforderungsanalyse: Welche Anforderungen habe ich an meine Bewerber*innen? Nach welcher Art Bewerber*in suche ich? Welche Instrumente muss ich einsetzen, damit ich diese Anforderungswerte messen kann?
2. Bewerberperspektive einnehmen: Was wollen Bewerber*innen über uns und unsere Ausbildungsberufe wissen?
Hierzu lohnt es sich Azubis zu befragen und in die Gestaltung zu integrieren. Die Karriereseite der Dortmunder Stadtwerke ist zum Beispiel zu 75% aus den Ideen der eigenen Auszubildenden entstanden.
3. Auswahlprozesse ganzheitlich betrachten: Welche Auswirkungen hat mein Bewerbungs- und Auswahlprozess? Was erzählen die Bewerber*innen über uns in ihrem privaten Umfeld? Welche Kritik wird verbreitet? Werden wir weiterempfohlen?
Weiteres Infos zu den Dortmunder Stadtwerken ist außerdem auf Instagram und LinkedIn zu finden.
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