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Coaching in der Ausbildung

Lernschwierigkeiten, Kommunikationsprobleme, fehlende Motivation – was nach typischen Ausbildungsherausforderungen klingt, hat oft tiefere Ursachen. Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) geht mit professionellem Ausbildungscoaching einen innovativen Weg.

Dieser Beitrag und Podcast erscheint in Kooperation mit dem DALK – Deutschen Ausbildungsleitungskongress. Der Vortrag des Karlsruher Instituts für Technologie findet am 25.11.25, 13.15 Uhr statt.

Die Ausgangslage: Wenn bewährte Methoden nicht mehr funktionieren

Das KIT bildet aktuell 340 junge Menschen in 29 unterschiedlichen Berufen aus – von klassischen Industriemechanikern über IT-Fachkräfte bis zu Nischenberufen wie Fotografen oder Botanikern. Doch wie viele Ausbildungsbetriebe in Deutschland stellte man fest: Die bisherigen Ausbildungsmethoden greifen nicht mehr richtig.

„Wir hatten erfahrene Ausbilder, die sagten: ‚Nicht geschimpft ist genug gelobt'“, berichtet Sabrina Heinze, Leiterin der beruflichen Aus- und Weiterbildung am KIT. „Die jungen Menschen von heute erwarten aber regelmäßiges Feedback und wollen wissen: Bin ich auf dem richtigen Weg?“

Von der Corona-Krise zum strukturierten Coaching-Angebot

Der entscheidende Impuls kam während der Corona-Pandemie. „Wir konnten unsere Azubis plötzlich nicht mehr greifen“, erinnert sich Heinze. „Ein Industriemechaniker im Homeoffice – was soll der dort lernen?“ Die Isolation zeigte deutlich: Junge Menschen brauchen mehr Unterstützung als bisher angenommen.

Das KIT verfügte bereits über ein Konfliktmanagementsystem für alle 10.000 Mitarbeitenden. Doch für Auszubildende – oft noch minderjährig und in einer besonderen Schutzbeziehung – brauchte es ein eigenes Angebot. 2022/23 wurde daher die Stelle „Ausbildungscoaching“ geschaffen, mittlerweile auf eine volle Stelle ausgebaut.

Was macht Ausbildungscoaching konkret?

Karina Klink, Diplompädagogin und seit zwei Jahren als Ausbildungscoach am KIT tätig, beschreibt ihr breites Aufgabenspektrum:

Für Auszubildende:

  • Einzelcoachings und Gruppensessions (flexibel von 1-3 Stunden)
  • Walk-and-Talk-Formate für lockere Gespräche
  • Workshops zu Lerntechniken und persönlicher Entwicklung
  • Hospitationen am Arbeitsplatz
  • Unterstützung bei persönlichen Belastungen

Für Ausbildungsbeauftragte und Ausbildende:

  • Impulsworkshops zu Kommunikation und Motivation
  • Kollegiale Praxisberatungen zum Austausch konkreter Fälle
  • Feedback zur Ausbildungskultur in den Abteilungen
  • Teamentwicklungen und Erwartungsabklärungen

Das Thema hinter dem Thema

„Die häufigste Anfrage ist: ‚Ich brauche Tipps zu Lerntechniken'“, erklärt Klink. „Aber in zwei Jahren hatte ich genau einen Fall, bei dem es wirklich nur um Lerntechniken ging.“ Dahinter verbergen sich oft familiäre Belastungen, persönliche Krisen, Suchtproblematiken oder soziale Probleme.

Der niedrigschwellige Zugang über unverfängliche Themen ist dabei bewusst gewählt. Unter Verschwiegenheitspflicht stehend, kann Klink ein Vertrauensverhältnis aufbauen und zu den eigentlichen Ursachen vordringen.

Die Perspektive der Ausbildenden: Reflexion statt Vorwurf

Besonders interessant: Die meisten Anfragen kommen von den Azubis selbst, nicht von Ausbildenden. „Es ist psychologisch einfacher zu sagen ‚Mein Azubi funktioniert nicht‘ als zu hinterfragen ‚Muss ich mein Verhalten anpassen?'“, analysiert Klink.

Deshalb geht sie proaktiv in die Abteilungen, hospitiert und bietet Impulsworkshops an – beispielsweise zum Thema „Zielführende Kommunikation mit Azubis“. Die Strategie: Nicht mit dem erhobenen Zeigefinger kommen, sondern über die veränderten Bedürfnisse der jungen Generation ins Gespräch kommen.

„Wenn wir das Thema über ‚Die Generation Z ist anders‘ aufmachen, sind Ausbilder offener“, erklärt Heinze. „Dann merken sie selbst: Es liegt vielleicht doch auch an meinem Kommunikationsverhalten.“

Veränderte Bedürfnisse oder veränderte Umstände?

Ein wichtiger Perspektivwechsel: Die Grundbedürfnisse junger Menschen – nach Anerkennung, Selbstständigkeit, klaren Leitplanken – sind gleich geblieben. Aber die Umgebung hat sich verändert.

„Die Auszubildenden sind einer schnelllebigeren Umgebung ausgesetzt“, so Klink. „Das Kommunikationsverhalten hat sich geändert, die Prioritätensetzung ist eine andere.“ Hinzu kommt: Die heutige Generation hinterfragt mehr, erwartet Erklärungen für Aufgaben und Entscheidungen.

Positiv hervorzuheben: „Wir stellen eine große Offenheit für ungewöhnliche Berufswege fest“, betont Heinze. „Die jungen Menschen sind flexibler und nehmen Chancen wahr, statt sich früh festzulegen.“

Erfolgsfaktoren des Coaching-Ansatzes

Was macht das Ausbildungscoaching am KIT erfolgreich?

  1. Niedrigschwelliger Zugang: Der Begriff „Coaching“ ist positiv besetzt und macht weniger Angst als „psychosoziale Beratung“
  2. Verschwiegenheit: Absolute Vertraulichkeit schafft Vertrauen
  3. Proaktives Vorgehen: Hospitationen und Workshops verhindern Eskalation
  4. Systemischer Ansatz: Nicht nur Symptome, sondern Ursachen werden bearbeitet
  5. Beidseitige Unterstützung: Sowohl Azubis als auch Ausbildende profitieren

Fazit: Coaching als Investition in die Zukunft

In Zeiten des Fachkräftemangels ist professionelles Ausbildungscoaching keine Luxusmaßnahme, sondern eine strategische Investition. Es hilft, Ausbildungsabbrüche zu verhindern, die Ausbildungsqualität zu steigern und sowohl Azubis als auch Ausbildende zu entlasten.

Das KIT zeigt: Mit der richtigen Struktur, qualifiziertem Personal und einem ganzheitlichen Ansatz lässt sich Ausbildungscoaching erfolgreich implementieren – auch in großen, heterogenen Organisationen.

Mehr erfahren: Sabrina Heinze und Karina Klink stellen ihr Konzept am 25. November 2025 auf dem Deutschen Ausbildungsleitungskongress vor.

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